Etwas Seelenruhe

Am Universitätsspital in Lausanne spielen demenzkranke Menschen mit Puppen. Damit sie in ihrem eigenen Leben eine Rolle finden. 

 

Als Ärztin in italienischen Krankenhäusern und Altersheimen hatte Patrizia D’Amelio immer wieder mit Menschen zu tun, die Verhaltensstörungen entwickelten. Waren die Patienten aggressiv oder wanderten ruhelos herum, wurden sie mit Medikamenten ruhiggestellt. Patrizia D’Amelio versuchte eine andere Methode, um sie zu beruhigen: Sie liess die Patienten mit Puppen spielen. Die sogenannte «Doll-Therapie» war in Schweden bereits bei autistischen Jugendlichen eingesetzt worden. Der Versuch verlief auch bei älteren Personen mit Verhaltensstörungen erfolgreich. «Die Patienten», erinnert sich Patrizia D’Amelio, «wurden ruhiger, die Ausgabe von Psychopharmaka konnte eingeschränkt werden und die Pflegenden waren weniger belastet.» 

 

 

Heute ist Patrizia D’Amelio Professorin und Chefärztin der geriatrischen Abteilung des Universitätsspitals Lausanne. Hier will sie die Wirksamkeit der «Doll-Therapie » bei demenzkranken Menschen wissenschaftlich breiter abstützen und feststellen, ob sie auch anhält,wenn die Patienten das Spital oder die Pflegeinstitution verlassen. Für die Studie braucht sie die Mitarbeit von Angehörigen und Pflegepersonal.

«Wir machten zuerst eine Umfrage und stellten fest, dass es einige Barrieren zu überwinden galt. Die Mitarbeitenden befürchteten, mit der Therapie die Patienten zu infantilisieren. Angehörige hatten Angst, die Zuwendung ihres kranken Familienmitglieds an die Puppen zu verlieren.»

In langen Gesprächen konnten die Vorurteile abgebaut werden. «Die Rolle der Puppe besteht darin, die Aufmerksamkeit des Patienten auf sich selbst zu ziehen. Ihm zu erlauben, sich wieder als Mensch in einer aktiven Rolle zu fühlen, indem er etwas pflegen kann. Das lenkt ihn ab von anderen Anforderungen, die seine Störungen auslösen, und er kann sie damit besser kontrollieren.»

Und jetzt bekommt Patrizia D’Amelio immer wieder Fotos von zufriedenen Familienmitgliedern, die zeigen, wie ihre alten und kranken Verwandten mit Puppen spielen. Mit ihrer Studie hofft die Forscherin, die «Doll-Therapie» so zu standardisieren, dass nur Patienten ausgewählt werden, die auch davon profitieren können. Und dass sie dann auch in immer mehr Pflege-Institutionen Anwendung findet. 
© CHUV 2023 – Jeanne Martel
 

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